Shadow Scythe von Verona-mira (Wenn der Tod die Nase voll hat) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- II   Bevor Gin sich in sein Versteck zurück begab, blieb er erst einen Moment in seinem Porsche sitzen und schickte Anokata eine Nachricht dass er erst einmal etwas anderes zu tun haben würde. Anokatas Antwort war kurz und sie war ohne Widersprüche. Immerhin wusste Anokata, worum es ging und von wem der Auftrag kam. Dann erst fuhr der Agent los. Es dauerte eine Weile bis er seine Wohnung erreichte. Er fuhr niemals direkt nach Hause, immerhin könnte er ja unter Beobachtung stehen. Und Misstrauen war etwas, was man in seinem Job dringend brauchte. Jedenfalls, als er die Tür hinter sich zuzog, riss er das schwarze Kuvert auf und las den Brief. Er bestand aus drei Teilen. Der erste Teil beschrieb worum es ging. Offensichtlich jemand, der sich dem Richtspruch entzog. Genug, um Gins Interesse zu wecken. Der zweite Teil beschrieb den Zielort und was er dort zu tun haben würde. Der dritte und letzte Teil beschrieb haargenau, wie er die Gegenstände, die er erhalten hatte, zu nutzen hatte. Nachdenklich legte der Attentäter den Brief beiseite und öffnete das Kästchen. Es enthielt eine feingliedrige silberne Kette. Es waren vier Kruzifixe daran und jedes war mit vier Edelsteinen besetzt. Eins mit Diamanten, eins mit Onyxen, eins mit Rubinen und eins mit Saphiren. Gin hoffte, er müsste sie nicht allzu häufig nutzen. Das andere Teil war ein silberner Armreif, den er an seinen Oberarm befestigen würde. Schwarze Runen waren darauf eingraviert. Oder besser, schienen darauf eingraviert zu sein. Wer immer die Runen betrachtete stellte schnell fest dass sie aus schwarzem Rauch zu bestehen schienen. Sie veränderten ständig ihre Gestalt oder verschwanden ganz. Im Allgemeinen jedoch pulsieren sie ganz dem Takt des Herzens ihres Meisters folgend. Gin seufzte noch einmal und verbrannte den Brief. Dann begann er, seine Sachen zu packen. Er würde noch eine ganze Menge zu tun haben. Aber immer noch besser als sich der Langeweile hingeben und die Polizei durch unnötige Gewalttaten auf seine Spur zu ziehen.   -oOo-   Zwei Tage Später, zehntausend Meter irgendwo über der Sibirischen Steppe. Gin hatte schon fast vergessen, dass er Flugzeuge abgrundtief hasste. Und nun wurde ihm klar, wieso. Er hatte zwar Business gebucht, sodass er von den schreienden Kindern weg war, aber die Anwesenheit eines wirklich nervigen quasselnden Börsenmanager ging ihn wirklich gegen den Strich. Nicht nur, dass dieser Manager die erste Hälfte des Fluges damit zubrachte, möglichst laut am Telefon über sein Haus in Florida und das andere in Paris zu erzählen und/oder die nächsten Geschäfte abzuwickeln, sondern wer begann gleich danach, seine direkten Nachbarn voll zu quatschen. Und leider war ausgerechnet ein gewisser silberhaariger Krimineller sein Nachbar. Gin spürte Kopfschmerzen aufsteigen. Zeitgleich mit seinen Kopfschmerzen jedoch stieg auch sein Drang, den Typ auf möglichst grausame Weise zu töten. Auf eine Art, die er sich eigentlich für Shuichi aufgehoben hatte. Aber dieser Typ da neben ihn schrie geradezu danach! Leider würde das heißen, dann auch alle Passagiere und Stewards als Zeugen zu betrachten und ebenfalls umzubringen. Der Attentäter fummelte an einer Tüte Erdnüsse herum bis er sie aufbekam. Dann halt auf unspektakuläre Art und Weise. Er schnippte die Erdnuss gegen den Vordersitz, sie prallte ab und blieb dann gezielt im Kehlkopf seines Nachbarn stecken. Sofort sank der Mann in sich zusammen. Geschafft! Endlich Ruhe. Die restliche Strecke dann konnte der Kriminelle sich endlich entspannen und ein wenig schlafen. Später dann erreichte das Flugzeug endlich Heathrow. Gin blickte auf die Insel unter ihm. Er war schon lange nicht mehr in London. Nachdenklich spielte er mit einem alten Schlüssel. Einem Gringottsschlüssel. Himmel! Das Ding war wirklich alt, und er hoffte, dass man ihn dort überhaupt noch verwenden konnte. Eine Stunde später verließ er das Terminal, bestellte sich ein Taxi und ließ sich nach London bringen. Ungeachtet der Tatsache, dass man im Flugzeug einen Toten fand der offensichtlich an einer Erdnuss erstickt war. -o-   Es war Mitternacht als er endlich vor dem ‚Tropfenden Kessel’ angekommen war. Er war nicht wirklich todmüde, litt jedoch bereits am Jetlag. Abschätzend betrachtete die heruntergekommene Fassade des Pubs. Er überlegte einen Moment, entschloss sich dann aber doch eine andere Unterkunft zu suchen. Irgendwo in der Winkelgasse, vorzugsweise. Zwei Stunden später hatte er sein Zimmer in der ‚Schwarzen Rose’ bezahlt und bezogen. Er schlief sehr schnell ein. Morgen hatte er noch viel vor.   -oOo-   Der nächste Morgen kam zu früh, aber er hatte noch viel zu erledigen. Träge quälte er sich aus seinen Laken und verbrachte die nächste Viertel Stunde damit, sich ordentlich herzurichten. Erst dann ging er hinunter in die Gaststube, um sich ein Frühstück zu besorgen. „Morgen“, begrüßte ihn der Wirt. Der Silberhaarige grüßte zurück und unterdrückte ein Gähnen. „Wenn ich nicht so verdammt viel zu tun hätte, würde ich noch ein wenig weiterschlafen“, murrte er dabei. Der Wirt betrachtete seinen Gast durchdringend. „Kann ich fragen, wieso Sie sich hier eingemietet haben und nicht im-“ er schnaubte verächtlich, „- im Tropfenden Kessel?“ „Zu viele Leute“, war die knappe Antwort. „Ich mag das nicht, wenn ich in Massen von Menschen unterwegs bin.“ Er nippte am Kaffee, warf einen kurzen Blick in die Zeitung und stand auf. „Nun denn. Ich werde mich erst einmal auf den Weg machen.“ Er schritt aus der Tür hinaus und lief dann die Straße hinunter. Er mochte die Umgebung, anders als die Winkelgasse, die mit durchgängigen Häuserreihen bebaut war, waren die Gebäude hier angenehm weit voneinander entfernt. An einer Wegkreuzung blieb er stehen. Die Straße, die er gerade entlang gegangen war, hieß Nokturngasse. Als er sich umdrehte erkannte er, dass man eine gute Illusion auf den Straßenzug gelegt hatte. Von hier aus sah sie tatsächlich wie eine heruntergekommene, verfallene und unheimliche Gasse aus. Gin lachte leicht und schritt dann in die Winkelgasse. Sein Ziel: Gringotts.   -o-   Samstagmorgens und die Bank war erstaunlich leer. Der Silberhaarige blieb einen kurzen Moment im Eingang stehen und ging dann langsam auf einen leeren Schalter zu. Er kannte Gringotts, aber es war schon lange her, dass er das letzte Mal hier war. „Was wollen sie?“ fragte der Kobold hinter dem Schalter ungehalten. Kobolde sind nie besonders freundlich gewesen. Gin legte den Schlüssel auf den Tresen. „Dieser Schlüssel gehört mir. Ich habe hier ein Schließfach“, erklärte er, „Ist der Schlüssel noch gültig?“ Der Kobold betrachtete den Schlüssel genauer. „Er ist alt“, stellte er dabei fest, „Sehr alt. Diese Form wird schon lange nicht mehr verwendet.“ Er warf dem Mann einen unsteten Blick zu. „Warten Sie einen Moment“, murmelte er und eilte davon. Etwas später tauchte er wieder auf. Ein wirklich alter Kobold begleitete ihn. Auch er betrachtete den Schlüssel genauer, dann blickte er den silberhaarigen Mann mit fast blinden Augen an. „Ich kenne diesen Schlüssel“, gab der alte Kobold zu. „Vor langer Zeit habe ich ihn ausgehändigt.“ „Ihr habt ihn an mich ausgehändigt, Meister Rangakon“, gab Gin zu, „Ich bin Kiran Altair. Ich habe das Schließfach erhalten. Vor 2000 Jahren.“ Der junge Kobold erstarrte kurzweilig. „Ist es wirklich schon so lange her?“ fragte Rangakon frei heraus. „Ah. Ich hätte nie gedacht Euch wieder zu sehen.“ Gin lächelte leicht als sein Mantel an den Rändern zu Schatten wurde. „Ich bin es aber. Ich bin zurückgekehrt, um eine Aufgabe zu vollenden.“ Er verbeugte sich leicht. „Und wirklich. 2000 Jahre ist nichts für jemanden wie mich. Ich bin ein Ministri mortis.“ Seine Augen schienen zu glühen. „Ein Diener des Todes.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)