Shadow Scythe von Verona-mira (Wenn der Tod die Nase voll hat) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- I   Ohne eine Gefühlsregung blickte die Figur auf die glänzende Oberfläche des Spiegels. Aber sie sah keine Reflektion. Nicht von sich selbst, jedenfalls. Aber da wäre ohnehin nichts zusehen. Es war eine große, schlanke Figur. Seine Gestalt war in einen langen schwarzen Mantel gehüllt, seine graue Haut war knapp über seine Knochen gespannt. Sein Geschlecht war nicht zu erkennen. Die Figur war sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt ein Geschlecht hatte. Aber das war ohnehin nicht von Interesse. Alles, was zählte, war der Job, den sie auszuführen hatte. Sein Blick fiel wieder auf das Bild des Mannes auf dem Spiegel. Kalte blaue Runen zierten den Rand des Glases. Ein Mann- ein Mensch, der sich über die Gesetzte hinweg setzte. Die Figur wandte sich ab und bewegte sich einige Meter den ewig langen Gang hinunter. Egal in welche Richtung sie blickte, sie sah nur weitere Spiegel und weitere Gänge. Die Figur blickte zu dem Spiegel zurück, wieder zu dem Schlangenartigen Gesicht mit den eisigen roten Augen. Über die ganze Zeit, die sie schon existierte, hatte die Gestalt schon viele von seiner Sorte gesehen. Menschen, die ihr Leben unnatürlich verlängern. Aber jemand wie dieser Mann ist ihm noch nie untergekommen. Nicht nur, dass er seine Seele in mehrere Teile zerrissen hatte und damit unerreichbar für ihn wurde, sondern selbst nach seinem ersten Tod mordete dieser Mann fröhlich weiter und er hatte auch noch den Nerv, sich einen neuen Körper zu schaffen. Diese Frechheit! Die Figur schwebte ein Stück weiter. Sie blieb ruhig. Immerhin war sie schon viel zu alt, um sich über irgendetwas aufzuregen. Stattdessen berührte sie einen anderen Spiegel. Versuchte Unsterblichkeit oder nicht- dieser Mann war bereits gerichtet worden. Und er würde seine Strafe dafür erhalten. Und die Gestalt wusste nur zu gut, wer sich dafür hervorragend eignete. Sie trat durch das Glas des zweiten Spiegels, seine Gestalt veränderte sich. Wie ein Schatten trat er auf der anderen Seite in die Reale Welt über. In der Form eines Mannes. Er hatte dunkles Haar, eisige Blaue Augen und eine fast weiße Haut. Er trug einen eleganten Mantel und dunkle Kleidung. Er vergewisserte sich noch einmal, ob er auch alles bei sich trug. Dann schritt er davon.   -oOo-   Gin war gelangweilt. Tödlich gelangweilt. Tödlich in dem Sinne, dass er bald aus Langeweile zu morden beginnen würde. Oh. Versteht das bitte nicht falsch. Gin war ein wirklich geduldiger Attentäter. Er konnte stunden- selbst tagelang auf die perfekte Gelegenheit warten. Aber wochenlang keinen Auftrag zu erhalten zerrte wirklich an seinen Nerven. Er war noch immer ein der gefährlichsten Agenten der Schwarzen Organisation, aber seit Anokata heraus gefunden hatte, dass sie den selben ‚Vorgesetzten’ hatten, schloss er den Agenten aus dem aktiven Dienst aus. Er gähnte kurz und betrachtete die Kellnerin aus dem Augenwinkel heraus. Sein Blick ruhte etwas länger als nötig auf ihrem Hals und für einen kurzen Moment stellte er sich vor, ihr zartes Genick zu zertrümmern. Er blickte sich noch einmal um. Irgendwie wünschte er sich, dass es hier eine Explosion geben würde. Einen grausamen Küchenunfall, irgendeine Zerstörung. Sonst müsste er kurzerhand alles hier mit den Organen der Anwesenden dekorieren. Eine Schande, wirklich. Er begann, diesen Laden wirklich zu mögen. Er schloss die Augen und konzentrierte sich kurz. Das Bildnis der Bar erschien vor seinem inneren Auge, nur alles in tristes Grau gehüllt. Aber sonst keine Veränderung. Selbst auf dieser Ebene war alles öde. Er zog die Brauen zusammen. Scheint so, als müsste er wirklich seiner Blutlust folgen und hier ein wenig umdekorieren. Plötzlich bemerkte er eine Verzerrung. Der Raum verwirbelte, die Bar begann, sich aufzulösen. Jeder andere hätte sich bei diesem Anblick vermutlich übergeben. Gin jedoch riss seine Augen auf, setzte sich sofort aufrecht hin und starrte zu dem Platz, von dem aus er die Verwirbelung gesehen hatte. Die Tür. Und dort schritt die schlanke Gestalt einer dunkelhaarigen Person hindurch. Gin lächelte amüsiert. Seine Langeweile hatte gerade ihr Ende gefunden.   -oOo-   Flüssig und unauffällig bewegte Vermouth sich in der Verkleidung der recht hübschen Kellnerin durch den Gastraum. Sie tat das, was sie am liebsten tat- Gin beobachten um ihn später daran aufzuziehen. Und da der Agent nun fast täglich hier war, biss Vermouth in den sauren Apfel und nahm die Stelle hier an. Auch wenn sie sich dann mit besoffenen Typen rumärgern musste. Nun, heute lief sie wieder an Gins Tisch vorbei und musste innerlich grinsen. Er war offensichtlich wirklich gelangweilt. Sie überlegte, ob sie ihn vielleicht ein wenig ärgern sollte, doch dann bemerkte sie wie er auf ihren Hals starrte. Aus einem unguten Gefühl heraus ließ sie es dann bleiben. Ohnehin war das schon merkwürdig. Gin war ein so hochrangiger Agent und so gefürchtet, warum ließ der Boss ihn dann immer außen vor? Das kam nicht nur ihr so eigenartig vor. Sämtliche andere Agenten- Kir, Chianti, Korn und selbst Vodka wurden abgezogen und anderen Agenten zugeteilt. Das würde aber heißen, dass Anokata Gin entweder misstraute oder er ihn aus irgendetwas raus halten wollte. Vermouth blickte zu ihrem Kollegen hinüber. Sie musste erfahren worum es ging. Und da kam es ihr zu Gute, dass sie den Tisch, an den er immer saß, schon ordentlich verwanzt hatte. Und endlich schien sich das bezahlt zu machen! Gin lehnte sich gerade zurück und starrte an die Decke, schloss die Augen und verharrte in der Position für einige Momente. Und plötzlich setzte er sich gerade hin und starrte zur Tür. Ein dunkelhaariger Mann trat ein und Gin schien plötzlich hellwach zu sein. Der Neuankömmling setzte sich zu dem Agenten. Sofort hatte Vermouth den Hörer im Ohr. Alle anderen hätten wohl gedacht dass sie Musik von ihrem MP3 Player hört, aber in Wirklichkeit belauschte sie das Gespräch der beiden. Momente später gruben sich so tiefe Furchen in ihre Stirn, dass man einen Hut aufschrauben könnte. Denn Gin und der Fremde unterhielten sich zwar, aber komplett unverständlich! Wieso reden die beiden in einer fremden Sprache?! Verzweifelt versuchte sie, wenigstens etwas zu verstehen. Anscheinend schien es Latein recht ähnlich zu sein, aber sie konnte kein Latein. Nach einem kurzen Gespräch schob der dunkelhaarige Mann ein Kästchen, einen Armreif und einen schwarzen Brief über den Tisch, erhob sich und ging wieder. Gin steckte alles ein, bezahlte und verließ dann ebenfalls die Bar. Vermouth hob die Augenbraue und sah auf ihr Handy. Sie lächelte leicht und betrachtete das Photo der beiden Männer. Dann schickte sie es an Anokata, mit der Frage ob sie genauer untersuchen solle, was es mit dem Mann auf sich hatte. Die Antwort des Bosses kam überraschend schnell. Es waren nur wenige Zeilen, aber sie enthielten eine wirklich angsterfüllte Botschaft. Tu nichts! Lass von Gin ab! Oder du wirst auf den Tod treffen! Und ich kann dir nicht helfen!   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)