Out of Place von Nordwind (Eine Frage des Vertrauens) ================================================================================ ZWEIUNDZWANZIG -------------- Vor Neujahr noch einmal etwas zum NAchdenken. Bin gespannt, wer alles versteht. Talas Gedanken sind an manchen Stelen vielleicht etwas wirr. ZWEIUNDZWANZIG| Es war still. Wiederum still. In einem Raum, der so vollkommen mit Dunkelheit gefüllt war wie dieser, waren Geräusche das einzige, das die Welt um sie herum zeichnen konnte und dennoch rührte sich keiner von ihnen. Das leise Atmen war alles. Ein Zeichen von Leben, nichts weiter. Sie waren beide noch am Leben, doch die Worte, die ausgesprochen worden waren hatte die Welt verändert. Nicht die Welt an sich, nicht die Welt aller Menschen, doch aber ihre beider Welt. Die Welt, in der sie gelebt hatte, in der sie zu leben geglaubt hatten, ihre Leben an sich. Es war nicht schlecht. Nicht schlechter als zuvor, vielleicht sogar besser, aber es war neu. Neu, ein neues Gefühl, dass sie nicht kannten, eine neue Welt, die sie nicht kannten, neue Gedanken, neue Erkenntnisse. Sie waren Freunde gewesen vor langer Zeit, ehe all das geschehen war. Dann waren sie Feinde gewesen oder zumindest hatte Tala das gedacht. Für Tala war es so gewesen. Kai, der all seine Erinnerungen verloren hatte nach jenem Vorfall, den Tala ihm nie übel genommen hatte. Er hatte Kai nie die Schuld an all dem gegeben, doch er hatte ihn dafür gehasst, dass er alles vergessen hatte. Zumindest hatte er geglaubt ihn zu dafür zu hassen. Hass. Es war so leicht dieses Wort zu benutzen, in der Wut, in der Verzweiflung. Ein Verteidigungsmechanismus. Jemand, den man hasste, der konnte einen nicht weiter berühren, verletzen. Es war leichter, viel einfacher, jemanden zu ignorieren, den man hasste. Wer hätte gedacht, dass Hass so sehr wehtun konnte. Kai, der zurückgekommen war, arrogant und herablassend. Diesen Kai hatte Tala wirklich gehasst, gehasst aus tiefster Seele, für ihn waren dieser neue Kai und der Kai, den er gekannt hatte nicht ein und derselbe gewesen. Für ihn war der neue Kai nur irgendein Monster gewesen, der in den Körper seines Freundes geschlüpft war. Zumindest hatte er versucht sich das einzureden. Nun hatte er erfahren, dass es diesen neuen Kai niemals gegeben hatte. Eine Täuschung, ein Spiel, das er nicht begriff. War er nicht vertrauenswürdig? Konnte man sich nicht auf ihn verlassen? Warum hatte Kai ihn belügen müssen? Ihn gemeinsam mit allen anderen Menschen in einen Topf geworfen. Hatte er selbst sich so sehr verändert? Hatte Kai an ihm gezweifelt? Er wusste es nicht. Er verstand es nicht. Kai hatte ihn niemals verraten, niemals wirklich, sondern nur um alles besser zu machen. Es war ein dumpfes Gefühl. Ein leeres Gefühl. Ein einsames Gefühl. Seltsam, man sollte doch meinen, er hätte soeben einen verloren geglaubten Freund zurück gewonnen, doch der Freund, den Tala verloren hatte war nicht zurückgekehrt. Es war ein fremdes Gefühl. Sie hatte beide gelebt, hatten sich verändert. Den Tala von damals gab es nicht mehr. Vielleicht war das der Grund, warum Kai nicht gewusst hatte, ob er ihm trauen konnte. Den kleinen Jungen, Tala, der immer alles auf sich genommen hatte, der unbekümmert in den Tag hinein gelebt hatte, für den die Abtei der Himmel gewesen war, der gerne über Dinge geredet hatte, die niemand begriff und der es geliebte hatte Witze zu machen die niemand verstand, diesen Tala gab es nicht mehr. Auch Kai hatte sich verändert und vielleicht waren sie sich nach all dieser Zeit einfach… – fremd. Aber das war Unsinn, nicht wahr? All diese Gedanken mochten richtig sein, doch sie waren ebenso falsch. Sie wären nicht hier in diesem dunklen Loch, wären sie sich so fremd. Sie würden nicht so miteinander reden, nicht so miteinander umgehen, wäre sie sich so fremd geworden. Tala wusste es besser. Er konnte die Vergangenheit nicht ändern und er konnte sie nicht zurückholen, nichts würde je wieder so werden, wie es einmal gewesen war, doch das musste nicht auch gleich bedeuten, dass es niemals wieder gut werden würde, im Gegenteil, es war Zeit, dass alles endlich einmal wieder besser wurde. Sie waren keine Fremde, waren es niemals gewesen. Sie hatte einander nur nicht verstanden, weil sie nach etwas gesucht hatten, dass es so nicht mehr gab. Das Band mochte sich verändert haben, doch es war noch immer da, dort wo es immer gewesen war. Ein Band, das sie zusammenhielt, ganz egal was geschah. Sie mochten sich verändert haben, doch sie waren noch immer dieselben. Es gab Dinge die änderten sich nicht. Der Kern, der Kern blieb gleich. Sie befanden sich noch immer auf derselben Wellenlinie, hatten noch immer dieselbe Art von Humor. Sie brauchten keine Worte um zu verstehen, sie kannten die Bewegungen und Eigenarten des anderen in einem Match. All diese kleinen, grundlegenden Dinge, die gleich blieben, ganz egal wie sich die Welt um sie herum änderte. Es war dieses stumme Einverständnis. Sie standen auf demselben Boden mit denselben Wurzeln, daran würde sich niemals etwas ändern. Es konnte womöglich eine Weile dauern, doch dieses Gefühl der Vertrautheit, das Vertrauen an sich, würde zurückkehren, sie mussten sich nur daran gewöhnen wieder miteinander auszukommen. Es war nicht allzu schwer, musste Tala zugeben, es brauchte nur Zeit. „Boris versteht es nicht.“ Talas Lippen verzogen sich zu einem schmalen Grinsen. Kai sah, ein wenig erstaunt über die Worte des anderen, auf, sagte jedoch nichts und wartete ab. „Er hat mich einmal gefragt wovor ich Angst hätte und ich sagte zu ihm: Vor der Dunkelheit. Aber Boris hat es niemals begriffen.“ Tala breitete vage die Arme in die Dunkelheit aus. „Das hier ist seine Strafe, aber er hat niemals verstanden, dass ich nicht diese Dunkelheit meine. Das hier ist einfach nur dunkel.“ Kai schloss die Augen. Er verstand was Tala meinte. Er verstand diese wirren Worte, die für manch einen keinen Sinn ergeben mochten. Er kannte die Dunkelheit, die Tala meinte und er musste ihm beipflichten, das hier war nichts dagegen, das hier war einfach nur dunkel. Boris wusste es nicht und vielleicht viele andere auch nicht, er kannte die wahre Dunkelheit nicht. „Hat er dich deswegen geschlagen.“ wollte Kai nüchtern wissen. „Bestrafung?`“ „Rache.“ antwortete Tala schlicht und nickte. „Das ist alles. Er tut das alles nur aus Rache.“ Rache. Es gab keinen Masterplan, kein hochgestecktes Ziel. Das einzige Ziel war sie so sehr wie möglich zu verletzen. War Boris inzwischen so tief gesunken? Hatte man ihn sosehr zerstört, so sehr in die Enge getrieben, dass er an nichts weiter dachte als daran Rache zu üben? War das alles? Die Gedanken hatten Kai so sehr abgelenkt, dass er die nahenden Schritte erst wahrnahm, als sie direkt vor der Türe verstummten. Erneut wurde ein Schlüssel herumgedreht und erneut ging das Licht an. Kai kniff die Augen zusammen, als das grelle Licht ihn blendete und die Türe aufflog. Er vernahm zwei Paar Schritte, die sich ihm deutlich näherten und wohl geradewegs auf ihn zukamen. Kai spürte, wie er von kräftigen Händen an den Oberarmen gepackt und auf die Füße gezogen wurde. Er öffnete die Augen um etwas sehen zu können, konnte jedoch nichts weiter tun als heftig zu blinzeln. Während die beiden Männer, wie er vermutete, ihn zum Ausgang schleiften. Er sah aus dem Augenwinkel noch, wie Tala versuchte sich halbwegs aufzurichten, ehe die Türe hinter ihm mit einem Krachen ins Schloss fiel. Die beiden Männer zerrten Kai an den Armen durch einen von grellem Licht erhallten Gang. Als sich seine Augen langsam an das Licht gewöhnt hatten, blieben sie schon wieder vor einer anderen Türe stehen. Während der größere und kräftigere der beiden Männer hinter Kai trat und ihm die Hände auf den Rücken drehte, klopfte der Andere an. Kai verzog vor Schmerz das Gesicht und unterdrückte den Fluch, der ihm auf der Zunge lag. Der Mann an der Türe öffnete diese und trat dann zur Seite. Der andere, der hinter ihm stand, versetzte Kai einen Hieb und stieß in vorwärts in den Raum. Es war ein kleiner Raum, ein wenig größer vielleicht als die Zelle zuvor. In der Mitte standen ein schmaler, gebrechlich aussehender Tisch und ein paar billige Plastikstühle drum herum. Auf einem der Stühle saß Boris, der Kai kalt anlächelte, als dieser stolpernd das Zimmer betrat. Kais Gesicht glich einer kalten, steinernen Maske. Kein Muskel regte sich und Boris kam nicht umhin sich im Stillen einzugestehen, dass er den jungen Russen für seine Selbstbeherrschung bewunderte. „Nun, Kai“, säuselte er während er seine Hände über der Tischplatte faltete. „Setz dich doch, ich will dir ein Angebot machen.“ ~~~ So, ich wünsche euch allen eine gute Reise ins neu Jahr, vergesst Salz und Kreide nicht und haltet euch von Kreuzungen fern. ^__^ Liebe Grüße und noch einen schönen Abend, Nordwind Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)